Die Wiedervereinigung des deutschen Prüfwesens
In den 50er Jahren, als das Prüfwesen noch in der Bundesstelle C des BDPh organisiert war, wurde eine Reihe von Prüferkollegen, die ihren Wohnsitz in der DDR hatten, trotzdem als Bundesprüfer in den Prüferlisten des BDPh geführt.
Dies setzte sich auch nach Gründung des BPP fort. So zählte die sog. Droese-Liste von 1962 noch folgende Kollegen aus der DDR auf: Dietrich, Fläschendräger, Gerschler, von Heintze, Martin, Dr. Zempel und Zirkenbach, wobei nur Dietrich als Mitglied des BPP bezeichnet wurde. Die „Offizielle Prüferliste 1963“ des BPP, die im Gegensatz zur Droese-Liste ausschließlich eine Mitgliederliste des BPP war, führte als Prüfer aus der DDR nur noch Arthur Dietrich auf. Er war auch in den Prüferlisten 1965, 1966, 1968 und 1970 als Mitglied verzeichnet. In der Mitgliederliste 1972 wurde er nicht mehr aufgeführt, da er im gleichen Jahr seine Prüftätigkeit aus Altersgründen eingestellt hatte.
Die Erklärung dafür, daß die Prüfer aus der DDR nicht mehr in die Prüferlisten aufgenommen wurden, liefert ein Schreiben Dr. Wittmanns vom 6. Juni 1963 an Kurt Zirkenbach, das Wittmann im gleichen Sinne am 5. Juni 1963 auch den Herren Zweiling, Martin und Starauschek hatte zukommen lassen: „Die gegenwärtige Lage, insbesondere die Schwierigkeiten mit Prüfsendungen nach der DDR, hat erneut die Frage aufgeworfen, ob die bisher von uns beitragsfrei geführten Prüfer in der Ostzone, die ja offiziell ja wohl nicht Mitglieder sein dürfen, in dem Mitgliederverzeichnis noch angegeben werden sollen. Dies kann nur zu leicht dazu führen, daß Prüfsendungen ohne Beachtung der vorgeschriebenen Bestimmungen abgeschickt werden und dann evtl. verloren gehen. Bitte teilen Sie uns doch mit, ob Sie besonderen Wert auf die weitere Aufführung in der Liste legen, und ob man evtl. in Verbindung mit Ihrem Namen und den Namen der weiterhin aufzuführenden Herren in der Ostzone, die darauf noch Wert legen, gleich die genauen Vorschriften für Prüfungen angeben soll.
Insbesondere ist dabei naturgemäß zu berücksichtigen, ob und in welcher Form die Prüfungsgebühren beglichen werden können.
Ich wäre Ihnen nun sehr dankbar, wenn Sie – vielleicht auch gleich für Herrn Fläschendräger – ebenfalls noch einmal diese Frage prüfen würden. Nachdem praktisch ja wohl kaum ein Prüfverkehr möglich ist und vor allem auch die Begleichung der Prüfgebühren große Schwierigkeiten bereitet, andererseits bei geringem Verstoß schon mit einem Verlust der Sendungen zu rechnen ist, erscheint es doch vielleicht zweckmässig, wenn wir entweder die in Frage kommenden Herren lediglich mit der Adresse anführen, aber dazu bemerken, daß z.Zt. Prüfsendungen nicht möglich sind oder aber dann die genauen Bestimmungen abdrucken, die hierfür erforderlich sind und anscheinend nicht einmal bei allen Herren im gleichen Maße zutreffen. Es ist ja auch bei Ihnen und Herrn Fläschendräger so, daß eine nur mündliche Erlaubnis jederzeit von einem anderen Herrn als ungültig betrachtet werden kann und da ist natürlich der Ärger groß. Bitte lassen Sie sich doch dies einmal alles durch den Kopf gehen. Wir wollen in den nächsten Wochen eine Neubearbeitung des Mitglieder-Verzeichnisses fertigstellen und würden dann Ihre Vorschläge gern berücksichtigen.“
Die Antwort Zirkenbachs ist nicht bekannt, aber offensichtlich war man auf beiden Seiten der Meinung, die DDR-Kollegen nicht mehr in der Prüferliste zu führen.
Nachdem rund ein Vierteljahrhundert ins Land gegangen war, schrieb Dr. Debo, anknüpfend an Vereinbarungen zwischen dem BDPh und dem Philatelistenverband im Kulturbund der DDR, die bei einem Gespräch beider Verbände am 20. April 1988 in Ostberlin geschlossen worden waren, am 29. Dezember 1988 (siehe Anlage 5 auf S. 147) an den Philatelistenverband, wobei er als ersten Schritt einer Zusammenarbeit den für das Prüfungswesen im Philatelistenverband zuständigen Herrn einlud, an der Mitgliederversammlung des BPP vom 26.-29. Mai 1989 in Frankfurt am Main teilzunehmen.
Das Schreiben Debos wurde, nachdem am 11. Februar 1989 ein zweites Gespräch zwischen BDPh und Philatelistenverband stattgefunden hatte, am 3. März 1989 (siehe Anlage 6 auf S. 148) beantwortet und der stellvertretende Verbandsvorsitzende Kurt Dunger, selbst Prüfer, als Repräsentant des Philatelistenverbandes benannt. Gleichzeitig sprach man eine Gegeneinladung für 1990 aus, „um dann die begonnenen Kontakte fortzuführen.“
In der Mitgliederversammlung des BPP am 27./28.5.1989 wies Debo daraufhin, daß die „Zusammenarbeit von Philatelistenverband und BDPh auf internationaler Ebene in der FIP für beide Seiten vorteilhaft“ ablaufe, folglich „sollte das auch im Prüfwesen möglich sein.“
Der Zusammenbruch der DDR änderte die Situation grundlegend. Im März 1990 trafen sich im Hotel Reichshof in Nürnberg Dr. Jobst von Heintze als Vorsitzender der Prüfer der DDR sowie vom BPP der damalige Vizepräsident und designierte Präsident Günter Bechtold, der Vizepräsident Hans-Georg Schlegel und der Geschäftsführer Dr. Helmut Oechsner, um zu beraten, welche Prüfer aus der DDR in den BPP aufgenommen werden könnten bzw. sollten.
In der Folge besuchte Hans-Georg Schlegel, ohne dafür den BPP mit Kosten zu belasten, zahlreiche Prüfer in der DDR, um sie über die Organisation des Prüfwesens in der Bundesrepublik und die Anforderungen, die an Prüfer des BPP gestellt werden, zu informieren und ihr Vergleichsmaterial in Augenschein zu nehmen.
Im Rundschreiben des BPP, Nr. 108 vom 20. April 1990, mit dem zur Mitgliederversammlung am 27./28. Mai 1990 eingeladen wurde, hieß es: „Wir können den Vorsitzenden und weitere 3 Mitglieder des in Umstrukturierung befindlichen Prüferverbandes der DDR begrüßen. Es sind dies die Herren Dr. Jobst von Heintze, Rudolf Burgfeld, Dr. Gotthard Kowollik und Dr. Gunter Kretzschmar. Die Herren sollen sich auch über die zentrale Prüfung der Kandidaten informieren.“
Das Protokoll der Mitgliederversammlung verzeichnete die Grußworte des Vorsitzenden der Prüfer in der DDR wie folgt: Dr. von Heintze „stellt viele Gemeinsamkeiten der Verbände in ihrer Arbeit und bei der Aufnahme neuer Kandidaten fest. Er schildert die Organisation der Philatelie in der DDR. Dort gäbe es keine eigenständigen Vereine, sondern überregionale Arbeitsgemeinschaften und betriebliche Sammlerzirkel, welche auf Kreis- und Bezirksebene zusammengefaßt seien. Die oberste Steuerung erfolge durch den Zentralvorstand und den engeren Vorstand des Philatelistenverbandes der DDR. Herr Dr. von Heintze erläutert die zukünftigen Pläne. Danach sollen unabhängige Vereine gegründet werden, die sich sechs neuzubildenden Landesverbänden anschließen. Der neue Philatelisten-Verband der DDR solle bis Oktober 1990 installiert sein.
Die Prüfer der DDR hätten bislang keinen eigenständigen Verband, sondern wären in einem sogenannten zentralen Fachausschuß zusammengefaßt gewesen, der vom engeren Vorstand des Philatelistenverbandes berufen worden wäre. Die Rechte dieses Fachausschusses wären sehr begrenzt gewesen.
Augenblicklich seien die philatelistischen Kontakte in ganz Deutschland weiterhin durch die Zollgesetze sehr eingeschränkt.“
Dem Bericht von Debo in der Mitgliederversammlung ist zu entnehmen, daß man nicht mehr von einem eigenständigen Prüferverband in der DDR ausging, denn er sprach davon, daß nach der Vereinigung die Aufnahme der Kollegen aus der DDR geregelt werden müsse.
Anfang Juli fand ein weiteres Treffen wegen der Aufnahme der DDR-Kollegen in Nürnberg statt. Der Personenkreis war der gleiche wie im März, lediglich Dr. von Heintze wurde von Prof. Dr. Schollmeyer aus Leipzig begleitet.
Laut Protokoll der außerordentlichen Mitgliederversammlung des BPP vom 7. Juli 1990 in München beschloß der Vorstand, „den Prüfern in der DDR eine Einladung zum Beitritt in unseren Verband einzeln zu übersenden. Darin sollen die Bestimmungen unserer Satzung sowie die Haftung dargelegt werden. Es wurden die Aufnahmebestimmungen dargelegt. Je nach Prüfgebiet ist die Vorlage des Vergleichsmaterials bzw. eine normale Aufnahmeprüfung erforderlich. Es wurde empfohlen, eine zentrale Prüfung im größeren Rahmen über mehrere Tage hinweg durchzuführen.
Nach Absprache mit dem Vorsitzenden des DDR-Prüferbundes, Herrn Dr. von Heintze, sollen den Kollegen in der DDR die Aufnahmemodalitäten im persönlichen Gespräch dargelegt werden.“
Mit Rundschreiben des BPP, Nr. 111 vom 2. Oktober 1990, wurde zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 18.11.1990 eingeladen, die ausschließlich für die Aufnahme der Prüferkollegen aus der ehemaligen DDR bestimmt war. In ihr wurden dann 33 Kollegen als außerordentliche Mitglieder aufgenommen. Dadurch konnte auch eine große Anzahl bisher nicht abgedeckter Prüfgebiete besetzt werden.
Nach Ablauf seines ersten Jahres als Präsident des BPP im Jahr 2000 erinnerte der Verfasser lt. Protokoll der Mitgliederversammlung daran, „daß es nun zehn Jahre her sei, daß die Prüfer der früheren DDR in unserem BPP Mitglied geworden seien. Das, was vor zehn Jahren fast sensationell war, sei heute Normalität geworden. Kein Mensch würde heute mehr fragen, woher er käme, sondern was er könne. Er stellt fest, daß diese Kollegen für uns eine Bereicherung darstellen würden, sowohl fachlich als auch persönlich. Sie hätten ein Stück Idealismus eingebracht, das der Philatelie und dem Prüfwesen nur gut tun könne. Dr. Penning hofft, daß sie diese Einstellung auch trotz der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse bewahren können.“
Von den 1990 aufgenommenen 33 Prüferkollegen aus der ehemaligen DDR, von denen einer aus persönlichen Gründen seine Prüftätigkeit nicht aufnahm, sind zwischenzeitlich viele durch Tod, aus Altersgründen oder wegen Aufgabe ihrer Prüftätigkeit, aber zwei auch durch Ausschluß ausgeschieden, so daß im Jubiläumsjahr 2008 im BPP nur noch neun als Prüfer aktiv tätig sind, und zwar die Herren Roland Daebel, Wolfgang Flemming, Rolf Haspel, Prof. Dr. Jobst von Heintze, Bernd Juchert, Bernd Meyer, Rolf Frieder Müller, Dieter Newiger und Tilo Rismondo.