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04.11.2021

Stellungnahme der Verbandsprüfstelle sowie der zuständigen Prüfer – Württemberg 70 Kr.

Die Verbandsprüfstelle des BPP sowie die zuständigen Fachprüfer haben sich intensiv mit den Theorien von Herrn Feuser auseinandergesetzt und kommen zu nachstehendem Ergebnis

Unsere heutige Antwort wird zweigeteilt sein: im 1. Teil möchten wir als Verbandsprüfstelle auf einige von Ihnen angesprochene Punkte antworten, im 2. Teil werden sich die Kollegen sehr detailreich mit Ihren Äußerungen beschäftigten und einen Punkt nach dem anderen mit Fakten abarbeiten.

Teil 1

Sie schreiben: Die Verbandsprüfstelle „hätte meinen unwiderlegbaren Hauptargumenten folgen und den betroffenen Prüfern eine Änderung ihrer Prüfpraxis empfehlen müssen. Meine Angebote für persönliche Gespräche wurden ignoriert.

Wie stellen Sie sich eine sachbezogene und ernsthafte Prüfung der von Ihnen seinerzeit vorgetragenen Argumente vor? Bedenken gegenüber einer Prüfpraxis werden in einer schmalen Stellungnahme der Verbandsprüfstelle vorgelegt, und diese stoppt per Weisung eine jahrzehntelange Prüfpraxis?

Allein die Tatsache, dass es sich um Millionenwerte handelt, die in Frage gestellt werden, gebietet es doch, hier keinem übereilten Aktionismus zu folgen, und schon gar nicht auf der Grundlage eines nur grob skizzierten Argumentationsgebäudes.

Nach einer kurzen Rücksprache mit den betroffenen Prüferkollegen sahen auch diese keinen sofortigen Handlungsbedarf, da die angeführten „Fakten“ für sich alle hinlänglich bekannt waren.

Woraufhin Sie beim Kollegen Stegmüller mit einem Aktenordner voller Unterlagen erschienen, den er sich gerne mal durchsehen, aber nicht behalten könne.

Soll die Verbandsprüfstelle auf der Grundlage eines solchen „persönlichen Gesprächs“ tatsächlich eine solch weitreichende Entscheidung treffen?

Die Verbandsprüfstelle hat sich, da sie ohne die fachliche Unterstützung der Kollegen die Thematik gar nicht allein beantworten kann, deshalb erlaubt, Sie um mehr Hintergrundinformationen zu bitten, um alle Ihre Feststellungen und Schlussfolgerungen in einer zusammenhängenden Ausarbeitung erfassen zu können, und damit sich die Prüferkollegen mit der Thematik Punkt für Punkt, aber auch im Zusammenhang befassen können.

Diese Mindestanforderungen sollten – angesichts ihrer Maximalforderung nach einer sofortigen Änderung der Prüfpraxis – erlaubt sein.

Dies ist aus unserer Sicht also weder eine Zumutung noch unhöflich, sondern gängige Praxis. Und es hat auch nichts damit zu tun, „vom Opfer der Beweislastumkehr Unmögliches“ zu verlangen.

Der Prüfer hat, anders als Sie es darstellen, grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Briefmarke echt gestempelt ist. Gibt es also keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Falschstempel vorliegt, oder ist der Abschlag schlicht nicht klärbar, so dass nicht genügend Kriterien für diese Annahme vorliegen („nicht prüfbar“), wird er den Stempel nicht beanstanden. Es geht hier also gar nicht um eine Beweislastumkehr, sondern immer nur um die Fälschung – dieser juristische Grundsatz gilt selbst bei den Infla-Marken! Der Jurist sagt: „in dubio pro reo“ – wenn es also keine Anhaltspunkte für eine Fälschung gibt, darf der Prüfer davon ausgehen, dass die Marke echt gestempelt ist.

Es geht hier aber gar nicht um die Prüfung eines Einzelstücks, sondern um Zweifel an der bisherigen Prüfpraxis im Umgang mit möglichen Rückdatierungen. Und wenn Sie die Grundlagen der Beurteilung anzweifeln, müssen Sie auch schlüssige Argumente vorlegen, auf deren Basis diese bisherige Praxis als nachweislich unzutreffend anzusehen ist.

Die Prüfpraxis hat sich über Jahrzehnte und über Prüfergenerationen weiterentwickelt. Auch wenn jeder Prüfer nur aus dem Kenntnisstand seiner Zeit prüfen kann und die Forschung nie stehen bleibt, garantiert dies eine gewisse Kontinuität und Stabilität, die für einen Markt essenziell sind. Glauben Sie denn wirklich, dass sich nicht jede Prüfergeneration ein eigenes Bild von den Umständen macht und viele Dinge kritisch hinterfragt? Allein schon aus haftungsrechtlichen Gründen wird sie dies tun.

„Harte Fakten“ zu fordern, ist deshalb auch kein Selbstzweck, um Sie zu quälen, sondern Notwendigkeit, um eine zu ändernde Prüfpraxis auch „gerichtsfest“ zu untermauern, denn mit einer solchen Auseinandersetzung als Folge der Änderung ist ja angesichts der Werte durchaus zu rechnen.

Und Sekundärliteratur (wie Köhler-Sieger, die Sie erwähnen) kann Indizien liefern, jedoch kein Amtsblatt, Aktenauszüge oder zwingende Schlussfolgerungen aufgrund des philatelistischen Materials ersetzen. Jeder forschende Philatelist kennt die Probleme mit diesen zwar zeitnahen, aber oft nur wiedergegebenen Fakten aus oft nicht näher bezeichneten oder nicht mehr vorhandenen Quellen.

Zu Ihrer Ausarbeitung schreiben Sie einleitend: „Meine Aussagen zur Problematik sind eine unmaßgebliche Meinungsäußerung. Sie enthalten neben Tatsachen auch durch Indizien unterlegte Vermutungen und Spekulationen.“

Und genau dies scheint uns – bei allem Respekt – auch die Crux zu sein. Sie führen zwar eine ganze Reihe von (bekannten) Fakten an, weben aber im Grunde nur ein mehr oder weniger selbstreferentielles Netz auf der Grundlage von Vermutungen, Indizien, Behauptungen und Annahmen, in das sie diese Feststellungen und/oder Fakten einsetzen um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, dass von vornherein feststeht.

Denn aus unserer Sicht basieren schon Ihre grundlegenden Feststellungen nur auf Annahmen, auf denen Sie dann weitere persönliche Überzeugungen und Behauptungen aufbauen – vermischt mit bekannten Fakten.

Diese Annahmen sind jedoch für sich schon entweder falsch, unbewiesen oder eher unwahrscheinlich:

Die Verausgabung des 70 Kr-Wertes erfolgte lt. Amtsblatt (Verfügung 17.896 vom 24.12.1872) AUSDRÜCKLICH für die Verwendung bei der Briefpost, die von Ihnen angenommene ausschließliche Verwendung am Paketpostschalter ist somit nicht korrekt.

Bei einer Menge von 2.850 Werten an 70 Kr- UND 2 Mark-Werten (wobei der Anteil der Mi-Nr. 52 an dieser Aufstellung zwar nicht geklärt ist, anhand der bisher registrierten Mengen an ungebrauchten Werten aber eher gering sein dürfte), die über einen fast 14 Jahre währenden Zeitraum verkauft wurde, ging statistisch etwa jeden zweiten Tag eine Marke über den Schalter. Hieraus – wenn auch nur für das Stuttgarter Hauptpostamt – eine Behinderung des „laufenden Betrieb(s) in nicht unerheblichem Ausmaß“ abzuleiten, erscheint uns nicht nur übertrieben, sondern im Gegenteil wenig wahrscheinlich.

Sie schreiben, dass „rund 600 bis 900 Exemplare nachträglich mit Gefälligkeitsstempeln versehen wurden, wohl ganz überwiegend im Zusammenhang mit dem Kauf der Marken an den beiden genannten Stuttgarter Postämtern. Der größte Teil der nachgestempelten Exemplare dürfte sich noch im Handel und bei Sammlern befinden“.

Bei einer überhaupt nur registrierten Menge von gut 1.000 Exemplaren der Mi-Nr. 42 legt dies nahe, dass nur 100 bis 400 Exemplare davon echt und zeitgerecht entwertet sein können, da die nachgestempelten Stücke den Hauptteil im heutigen Handel ausmachen sollen.

Wenn der größte Teil davon (nämlich über 500 Werte) jedoch nicht einmal die inkriminierten Stuttgarter Stempel zeigen und weitere gut 400 Exemplare bei der Stuttgarter Fahrpost verwendet wurden, wird offensichtlich, dass Ihre Schätzungen erheblich (!) übertrieben sind.

Die Angaben der Kollegen von gut 140 rückdatierten oder fraglichen Stücken sollten im Verhältnis zu den Gesamtzahlen dagegen deutlich wahrscheinlicher sein.

Auch Ihre Annahme eines zweimal identisch gebrochenen Stempels erscheint sehr fragwürdig. Selbst bei den INFLA-Stempeln, die ja in einem erheblich stärkeren Umfang täglichen Belastungen ausgesetzt waren und überarbeitet/ausgetauscht werden mussten, gibt es unseres Wissens keinen Stempel, der zweimal identisch – also nach einer Reparatur/Überarbeitung an der gleichen Stelle erneut – gebrochen ist. Nach menschlichem Ermessen sollte es doch viel wahrscheinlicher sein, dass der Stempel die ganze Zeit (an)gebrochen war und je nach Stärke oder Abschlag der Bruch mal mehr, mal weniger deutlich zu sehen ist.

Soweit eine vorgezogene Stellungnahme zu den wichtigsten Annahmen Ihrer Ausarbeitung. Zu allen weiteren Punkten finden Sie in der Antwort der Kollegen im zweiten Teil eine detailreiche, sach- und faktenbezogene und aus unserer Sicht auch überzeugende „Gegendarstellung“.

Mit dieser umfassenden Antwort sollte auch für Außenstehende klar werden, dass nicht nur die wesentlichen Annahmen, die als Eckpfeiler ihres Argumentationsgebäudes dienen, alles andere als zwingend sind – im Gegenteil: teils nicht einmal zutreffend –, sondern auch eine Vielzahl der von Ihnen daraus abgeleiteten Behauptungen.

Dass Sie sich im Rahmen dieser Diskussion über das Verhalten des BPP und der Verbandsprüfstelle geärgert haben, tut uns leid. Dass aber auf Sie „eingedroschen“ worden sei, wie Sie schreiben, hört sich jetzt zwar „markig“ an, scheint aber doch maßlos übertrieben. Die Verbandsprüfstelle und auch die Fachkollegen haben sich mit dieser Antwort jedenfalls nur sachbezogen geäußert und werden das in der notwendigen Art auch weiterhin tun.

In der Hoffnung, auch Sie davon überzeugt zu haben, dass eine Änderung der Prüfpraxis nach den vorliegenden Antworten nicht vorgenommen werden kann, können wir Ihnen versichern, dass die Fachkollegen Ihre Zweifel dennoch im Auge behalten und bei Vorliegen belastbarer neuer Fakten auf jeden Fall noch einmal über die Problematik diskutieren werden.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Huylmans
Michael Jäschke-Lantelme
Franz Stegmüller

Teil 2 – Antwort der Fachprüfer

Seite 1

„Normale Auslands- oder Chargébriefe mit der 70 Kreuzermarke sind bis jetzt keine bekannt geworden und auch nicht wahrscheinlich. Möglicherweise wurden die für 1873 genannte Anzahl der Marke zu Verrechnungszwecken im Bereich Telegrafie oder Zeitungsüberweisungen u. ä. verwendet.“

Es gab konkreten Bedarf für diese Marke im Rahmen der Briefpost (höhergewichtige Auslandsbriefe), dies war im Übrigen der alleinige Grund die Marke auszugeben (s. a. amtliche Verfügung bei Brühl/Thoma wiedergegeben auf S. 81). Leider ist keiner dieser Briefe erhalten geblieben. Dass die Marke für Verrechnungszwecke genutzt wurde, ist reine Spekulation und u. E. abwegig. Es gibt keine Verlautbarungen hierzu seitens der Postverwaltung.

Seite 3

„Nach jetzigem Erkenntnisstand wurden die Marken ab dem 1.2.1874 ausschließlich auf Paketkarten verwendet, andere Fahrpostverwendungen sind wohl nur theoretisch möglich.“

Es gab stets konkreten Bedarf für diese Marke im Rahmen der Briefpost (höhergewichtige Auslandsbriefe). Eine Verwendung ausschließlich bei der Fahrpost zu unterstellen ist falsch. So forderte bereits im März 1873 Wildbad 70 Kr. Marken für eine Briefpostverwendung während der Badesaison an:

Die These von Peter Feuser, dass 70 Kr. nur auf Paketkarten echt und zeitgerecht entwertet vorkommen können, ist eine Fehleinschätzung mit gravierenden Folgen. Daraus erwachsen letztlich weitere Fehlannahmen und Theorien.

3. „Die bekannten Wertbriefe mit 70 Kreuzer haben sich als Fälschungen herausgestellt.“

Dies ist korrekt. Ein aktueller BPP-Prüfer hat sich dem Urteil seines Vorgängers nicht angeschlossen und beide Kronjuwelen der Württemberg-Philatelie als Fälschungen entlarvt. Das ist ein schlagkräftiger Beweis dafür, dass bei neuen Erkenntnissen von der Prüfpraxis abgewichen wird.

4. „Aufgrund vieler Anfragen von Sammlern und Händlern wurden die Restbestände der Marke zum Nennwert von 2 Mark zunächst ab ca. 1876 am Postamt Stuttgart I (vermutlich an zwei Schaltern) und anschließend ab ca. 1880 an einem speziell eingerichteten „Sammlerschalter“ am Postamt Stuttgart IV verkauft.“

Im Postamt I gab es keine Sammlerschalter. Diese entspringen der Fantasie des Verfassers, um später seine Theorien über angebliche Gefälligkeitsabstempelungen zu rechtfertigen. Den Sammlerschalter im Postamt IV soll es laut Handbuch von Köhler/Sieger (1940) gegeben haben. Eine amtliche Verlautbarung zu Sammlerschaltern oder zu der Genehmigung von Gefälligkeitsabstempelungen gibt es nicht. Alle Aussagen hierzu seitens Peter Feuser, auch zu den Jahreszahlen, sind reine Spekulation und u. E. nicht haltbar.

5. „Wegen des verstärkten Wunsches der Sammler- und Händlerschaft nach gestempelten Exemplaren erklärte sich die Postverwaltung beim Kauf der Marken zu nachträglichen Gefälligkeitsabstempelungen bereit.“

Der Verkauf von 2.850 St. 70 Kr.-Marken dauerte angeblich bis Herbst 1889 (Köhler/Sieger
S. 129) also rund 14 Jahre. Täglich wurde also nicht einmal eine 70 Kr.-Marke verkauft. Aber: „Köhler/Sieger“ ist, wenn überhaupt, als „halbamtliche“ Quelle anzusehen. Denn der ehemalige Kurator der staatlichen Wertzeichensammlung, Karl Köhler, der Zugang zu den Akten hatte, war bei Erscheinen des Buches 1940 bereits tot. Konsul H. E. Sieger hat auf Basis von Manuskripten das Buch überarbeitet und ergänzt. Sieger schreibt auf S. 129 einen zentralen Satz, der leider mehr oder weniger für das ganze Thema von zentraler Bedeutung ist: „Es wird kaum mehr gelingen, hier Tatsächliches festzustellen, da die Akten sowie die Nachweisungen über die Verkäufe der Restbestände beim Postamt 4 vernichtet sind.“

6. „Hierzu wurden beim Postamt Stuttgart I ein kleiner Einkreisstempel und ein kleiner Datumbrückenstempel verwendet. Im Zusammenhang mit der Errichtung des Sammlerschalters (wohl Ende 1879/Anfang 1880) wurden die beiden beim Postamt IV bis dahin in Gebrauch befindlichen Stempel (ein großer Datumbrückenstempel der Briefpost und ein Fächerstempel der Fahrpost) eigens für den Gebrauch beim Sammlerschalter ausgesondert.“

Der ganze obige Absatz ist frei erfunden. Kein einziger Punkt ist belegbar oder kann anhand der überlieferten gestempelten Marken nachvollzogen werden.

7. „Nach Außerkurssetzung bis zum Ende der Verkaufszeit Mitte 1889 wurden Karl Köhler zufolge 2.850 Exemplare der 70 Kreuzer an Liebhaber verkauft. Ich schätze, dass mindestens 20 bis 30 % davon, also rund 600 bis 900 Exemplare, nachträglich mit Gefälligkeitsstempeln versehen wurden…“

Wir schätzen, dass etwa 50 bis 100 Marken der am Sammlerschalter Postamt IV verkauften Marken mit Gefälligkeitsstempel von verschiedenen württembergischen Orten versehen wurden. Nachweisbare Nachstempelungen von 70 Kr. kommen selten vor.

Seite 6

8. „Die Nachstempelungen mit den vier verschiedenen Stempeln der Postämter Stuttgart I und IV werden hingegen bis auf ganz wenige Ausnahmen von den Verbandsprüfern in den Befunden und Attesten als „echt und zeitgerecht verwendet“ anerkannt. Dies ist natürlich ein Unding, weil die nachträglich gestempelten und im Falle der Datumbrückenstempel rückdatierten Exemplare der 70 Kreuzer nach den Normen des BPP als falsche Entwertungen angesehen werden müssen.“

Im Stuttgarter Postamt I wurde kein Stempel für Nachstempelungen benutzt. Vom Postamt IV wurde die Datumbrücke in Schwarz für Nachstempelungen benutzt, dies wird auch seit Jahrzehnten entsprechend geprüft.

9. „Wenn die 70 Kreuzer-Marken ab 1.2.1874 ausschließlich auf Paketkarten verwendet wurden, was ja festzustehen scheint, dann ist eine Entwertung mit den drei Briefpoststempeln der Postämter Stuttgart I und IV als Aufgabestempel auf Paketkarten technisch ausgeschlossen.“

Dies ist eine gravierende Fehleinschätzung, 70 Kr. Marken wurden stets auch für die Briefpost verwendet (vgl. Ziff. 2).

10. „Es war unmöglich, an einem Briefpostschalter der großen Stuttgarter Postämter ein Paket aufzugeben.“

Das stimmt, aber höhergewichtige Auslandsbriefe wurden am Briefpostschalter aufgegeben, mit
70 Kr.-Marken versehen und mit Stempeln der Briefpost entwertet (vgl. u. a. Ziff. 2)

Seite 7

11.“Neben der 70 Kreuzer wurde der Haupterlös wohl durch den Verkauf einer weiteren Innendienstmarke erzielt: der 2 Mark gelb (Michel-Nr. 50).“

Falsch. Die Restbestände der Michel-Nr. 50 wurden verbrannt und nicht verkauft (vgl. Köhler/Sieger S. 128).

Seite 9

12. „Die Postverwaltung genehmigte offenbar bereitwillig die Gefälligkeitsabstempelung von verkauften 70 Kreuzer. Die Marken hatten ja keine Gültigkeit und die Poststempel damit keinen urkundlichen Charakter mehr. Es wurden scheinbar auch Sonderwünsche erfüllt, wie beispielsweise wappenfreie Abstempelungen u. ä.. Beim Postamt I wurden die 70 Kreuzer-Marken an offenbar zwei Schaltern verkauft. An dem einen bediente man sich für die nachträglichen Abstempelungen des Einkreisstempels STUTTGART, am anderen des kleinen Datumbrückenstempels STUTTGART POSTAMT I. „

Alles frei erfunden. Es gibt keinerlei Verlautbarungen der Post hierzu. Die angeblichen Gefälligkeits-Abstempelungen des Postamtes I sind bedarfs- und zeitgerechte Briefpostentwertungen. Die Abstempelung auf der Bogenecke S. 9 (unten Mitte) wurde von Heinz Thoma im Attest angezweifelt. Eine aktuelle Einschätzung eines amtierenden BPP-Prüfers zu diesem Stück gibt es u. W. nicht.

Seite 11

13. „Der kleine Datumbrückenstempel des Postamtes I ist als Briefpoststempel bei der Aufgabe von Paketkarten ebenfalls nicht möglich. Bis ca. 1880 sind keine Paketkarten mit dem Stempel bei der Aufgabe bekannt. Es handelt sich ebenfalls in allen Fällen einer Entwertung auf 70 Kreuzer um Nachstempelungen aus dem Zeitraum von 1876 bis Ende 1879, evtl. in ganz wenigen Fällen auch zu einem späteren Zeitpunkt.

Die angeblichen Gefälligkeits-Abstempelungen des Postamtes I mit der Datumbrücke sind bedarfs- und zeitgerechte Briefpostentwertungen.

14. Der Verkauf der 70 Kreuzer-Marken im Stuttgarter Hauptpostamt behinderte dort den laufenden Betrieb in nicht unerheblichem Ausmaß.

Im Stuttgarter Hauptpostamt gab es keine Sammlerschalter. Es wurden dort keine 70 Kr. verkauft.
Es gibt keine amtliche Verlautbarung der Post hierzu.

15. „Die Postverwaltung entschloss sich 1879 daher, den Verkauf der 70 Kreuzer-Marken an einen speziellen „Sammlerschalter“ im Postamt IV zu verlagern. Wegen des immer noch vorhandenen Bedürfnisses der Interessenten nach gestempelten Exemplaren (mittlerweile waren wohl auch von den Paketkarten abgelöste Bedarfsstücke im Handel) wurden sowohl der bei der Briefpost eingesetzte Datumbrückenstempel und der bei der Fahrpost benutzte Fächerstempel des Postamtes IV ausgesondert und ab da während der Verkaufszeit der 70 Kreuzer wohl ausschließlich am Sammlerschalter weiterverwendet. Die vorhandenen Stempelkissen mitsamt ihrer kräftiggrünen Farbe wurden ebenfalls weiterbenutzt.“

Alles frei erfunden. Es gibt keinerlei Verlautbarungen der Post hierzu, und der Fußnotenhinweis auf die Literaturstelle Winkler/Klinkhammer: „Postalische Stempel Württembergs“ ist unlauter, die Errichtung eines Sammlerschalters 1879 beim Postamt IV wird dort nicht erwähnt. Vom Postamt IV wurde die Datumbrücke in Schwarz für Nachstempelungen benutzt, dies wird auch seit Jahrzehnten entsprechend geprüft.

Seite 13

16. „Der Datumbrückenstempel befand sich 1879 in einem relativ schlechten Zustand. Die ursprünglich vorhandenen Stege der Datumszeile waren verschwunden. Ganz offenbar wurden deshalb beide Stempel einer Generalüberholung unterzogen, gereinigt und möglicherweise nachgraviert.“

Weder der Datumbrückenstempel noch ein anderer Stuttgarter Stempel wurde für den Zweck von Nachstempelungen überarbeitet oder repariert. Dies ist völlig abwegig und frei erfunden.

17. „Nachstempelungen mit dem schwarzen Datumbrückenstempel auf
70 Kreuzer sind in nur wenigen Exemplaren bekannt. Die Annahme, dass nur diese Abstempelungen in schwarzer Farbe als nachgestempelt zu gelten haben, ist völlig realitätsfern.“

Tatsächlich sind nur diese schwarzen Abstempelungen nachgestempelt!

Seite 17

18. „Da die anderen in Zusammenhang mit den Restbestandverkäufen an den Stuttgarter Postämtern I und IV erfolgten Gefälligkeitsabstempelungen bisher praktisch alle fälschlicherweise als echt und zeitgerecht verwendet geprüft wurden und werden, hätte der Anteil der nachgestempelten Exemplare an den „Sammlerschaltern“ nur im Promillebereich gelegen, anstatt den von mir angenommenen mindestens 20 bis 30 % (ca. 600 bis 900 Exemplare) aller verkauften 70 Kreuzer. Mir ist rätselhaft, wie ansonsten hochkarätigste Spezialprüfer einer derartigen Fehleinschätzung unterliegen können.“

U. E. ließen tatsächlich nur die wenigsten Sammler die teure Marke abstempeln, da ungebrauchte Marken nicht verfügbar waren. Gestempelte Marken kamen zu dieser Zeit schon auf den Markt.

19. „Ein weiteres, sehr deutliches Indiz für die Nachstempelungen liegt in der Verwendung der 2 Mark gelb, ebenfalls eine Innendienstmarke, die nicht an das Publikum abgegeben werden durfte. Briefe mit dieser Marke sind mir, ebenso wie solche der 70 Kreuzer, nicht bekannt, sondern nur Paketkarten.

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Ab 1.7.1875 trat der Weltpostvertrag in Kraft. Auslandstarife verbilligten sich dadurch dramatisch. Die Nachfolgemarke der 70 Kr.-Marke, die 2 M. gelb, wurde tatsächlich ganz überwiegend nur noch auf Paketkarten verwendet.

Seite 18

20. „Nach der Grundüberholung und Reparatur des Datumbrückenstempel wohl Ende 1879 befand sich der Stempel, wie bei seiner Einführung, in einem einwandfreien Zustand. Die Stege waren vollständig sichtbar. Da der vorhandene Stempeleinsatz und auch die grüne Stempelfarbe weiterbenutzt wurden, könnten die gleichen Abnutzungserscheinungen auch bei den Nachstempelungen in den 1880er-Jahren entstanden sein und den Eindruck einer zeitgerechten Entwertung hinterlassen.“

Eine zeitgleiche Abnutzung eines reparierten Stempels, die mit dem Originalstempel und den verwendeten Stempeldaten korrespondiert, kann ausgeschlossen werden. Diese These ist abenteuerlich, da dieser Stempel mit den typischen Beschädigungen noch nach 1890 bekannt ist.

Seite 19

21. „Die Häufung von gleichen Stempeldaten auf bestens erhaltenen 70 Kreuzer ist ebenfalls bemerkenswert. Mir liegen Abbildungen von einigen Dutzend 70 Kreuzer-Marken mit dem grünem Datumbrückenstempel vor. Davon tragen 4 Einzelstücke und zwei Paare das Datum 1. XII. 74 (siehe die Abbildungen). Auch dies ist ein Hinweis auf Nachstempelungen.“

70 Kr.-Marken mit gleichem Stempeldatum sind nur Hinweise darauf, dass Blockstücke aufgeteilt wurden. Einige Sechserblocks lassen sich rekonstruieren. Dies ist kein Hinweis auf Nachstempelungen.

22. „So sind mir Doppelentwertungen mit dem grünen Datum- und Fächerstempel in drei Fällen bekannt (siehe die Abbildungen), vermutlich gibt es mehr davon. Eine häufigere bedarfsmäßige Nachstempelung von bereits mit dem Fächerstempel entwerteten Marken in der regulären Gebrauchszeit der 70 Kreuzer kann man getrost ausschließen. Der Charakter der Abstempelungen spricht eindeutig für eine Nachstempelung am Sammlerschalter in den 1880er-Jahren. Die genannten drei Doppelentwertungen belegen auch eindeutig die gleichzeitige Verwendung beider Stempel am Sammlerschalter.“

Über das Zustandekommen dieser Doppelentwertungen kann nur spekuliert werden. Keinesfalls sind sie jedoch ein Hinweis auf Nachentwertungen am Sammlerschalter.

Seite 20

23. „Mit dem Datumbrückenstempel wurden während seiner Verwendung am Sammlerschalter in größerem Umfang weitere Stempelspielereien vorgenommen. Die Abbildungen zeigen 70 Kreuzer-Marken mit einem, zwei, drei oder sogar vier Eckstempeln. Es bestand die Vorschrift zur zentrischen Entwertung der Marken, die während der Laufzeit der 70 Kreuzer nur gelegentlich bei paarweisen zentrischen Entwertungen übergangen wurde.“

Es gibt weder eine Stempelspielerei am Sammlerschalter noch eine Vorschrift, die 70 Kr.-Marken zentrisch zu entwerten. Weder ein Sammler noch ein Postbeamter würden je auf die Idee kommen, Marken derart zu verstempeln. Solche Verstempelungen geben eher Hinweis auf Stücke aus dem Bedarf.

24. „Es könnte eine dreistellige Anzahl mit diesem Stempel entwerteter 70 Kreuzer-Marken existieren. Alle Abstempelungen mit dem grünen Datumbrückenstempel des Postamtes IV sind Nachstempelungen aus den 1880er-Jahren, also weit außerhalb der Kurszeit der 70 Kreuzer. Sie müssen nach den Regeln des Prüferverbandes als falsch gelten. In Zukunft dürfen sie keinesfalls mehr als zeitgerechte Entwertungen auf 70 Kreuzer-Marken befundet und attestiert werden. Frühere Befunde und Atteste, in denen eine zeitgerechte Entwertung bescheinigt wird, können in diesem Punkt keinen Bestand mehr haben.“

Stücke mit dem grünen Datumbrückenstempel des Postamtes IV stammen entweder von einem höhergewichtigen Auslandsbrief oder von einer zeitweiligen Verwendung des Datumbrücken-stempels am Fahrpost-Schalter. Alle Atteste der letzten Jahre sind auch heute noch zutreffend.

Seite 21

25.1 „Die Häufung von gleichen Stempeldaten (hier der 17. November) bei gleichzeitiger bester Schnitt und Stempelqualität ist ein deutliches Indiz für die Nachstempelungen am Postamt IV.

und weiter Seite 21

25.2 „Es gibt bei zahlreichen Prüfstücken deutliche Anzeichen für eine Nachstempelung, das gilt auch– das ist sehr traurig, aber wahr – für den bekannten Dreierstreifen der 42a aus der 2. Trostauktion mit Stempeldatum 17. NOV. (1874). Dieses Datum kommt wiederholt auf einheitlich breitrandigen und schön gestempelten Einzelstücken und Paaren vor (siehe die Abbildungen). Wer soll glauben, dass sich diese Marken jemals zeitgerecht auf Paketkarten befunden haben?“

70 Kr.-Marken mit gleichem Stempeldatum sind nur Hinweise darauf, dass Blockstücke aufgeteilt wurden. Einige Sechserblocks lassen sich rekonstruieren. Dies ist kein Hinweis auf Nachstempelungen.

 

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